An der Station Frankfurt Mühlberg sind bestimmt 30 Oberräder und Sachsenhäuser in die S-Bahn zugestiegen. Viele tragen Plakate: „Fluglärm? Nein Danke!“ Das Gesicht auf dem Plakat trägt Ohrenschützer. Eine Frau trägt einen Eimer auf dem Kopf, drauf steht „Region“.

Hinter mir im Gang steht offensichtlich ein Flughafenmitarbeiter „Eine Frechheit! Es gibt nur 17 Nachtflüge!“ „Ich habe nichts gegen den Flughafen. Ich fliege ja selber“ höre ich antworten. „aber …“.

Ein Mann steigt an der Ostendstraße zu, schaut sich um und spricht dann mein Gegenüber an: „Ich habe eine Frage, ist heute Demonstration? Ist die jeden Tag?“ „Ja, genau, wir kommen aus Oberrad und uns reicht’s“. „Sind Sie denn betroffen?“ „Ja, jeden morgen um fünf werde ich wach, wenn die ersten Flugzeuge fliegen. Und kann nicht mehr einschlafen.“ „Das kann man sich wohl gar nicht vorstellen, wenn man es nicht erlebt hat. … wie ist es denn am Tage?“ „Wir haben den ganzen Tag Fluglärm, ununterbrochen.“ Auf einmal schaut sie sehr ernst. „100%“

Zwischendurch schweifen die Gespräche immer wieder ab. „Was wird denn aus dem Dalles?“ „Und aus der Kneipe an der Offenbacher, war schon mal jemand in der Shisha-Bar“. Aber lange hält das nicht vor.

„Und Petra Roth hat gemeint, wer da gegen ist soll doch umziehen.“

Ja, die halbe S-Bahn ist auf dem Weg zum Flughafen Frankfurt. Heute, am 4. Februar 2012, ist die große Wochenenddemonstration. Wir wollen unseren Unmut darüber kundtun, was mit uns gemacht wird im Namen von Fortschritt und Wirtschaft.

„Warum habt ihr denn nicht eher protestiert“ meint der Mann. „Ganz so ist das nicht. Der Prozess läuft schon seit 15 Jahren. Initiativen gibt es in der ganzen Region. Aber das es so schlimm wird, das hat sich keiner vorstellen können. Viele wollten es nicht wahrhaben, wie’s ist.“

Eine Gruppe hat Mitglieder verloren. „Am Flughafen treffen wir uns bestimmt wieder.“ Sie werden noch viel mehr Leute treffen.

Wir sind eine der ersten S-Bahnen, die am Flughafen ankommen.  Noch fahren die Rolltreppen. Flugreisende schieben ihren Koffer ungestört quer durch die Menge und ich nutze die Gelegenheit, die Plakate aus der Nähe zu betrachten und zu fotografieren. So nach und nach füllt es sich. Irgendwann hören die Rolltreppen auf zu laufen und die Massen steigen die Treppe hinauf, über ihren Köpfen schweben Plakate auf Stecken und aufblasbare Flugzeuge.

Mittlerweile ist auch Bernhard angekommen, ich hole ihn vom Busterminal ab. Kaum sind wir zurück im Terminal kommt durch den Lautsprecher, das wir zu viele werden. Es geht hinaus in die eiskalte Sonne und der Demonstrationszug beginnt.  Unterwegs treffen wir auf einige Bekannte. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Ruhe klaut“ schallt es über die Strasse.

Ist es Zufall, daß gerade eine Edvard-Munch-Ausstellung in Frankfurt anläuft? „Der Schrei“ ist auf jeden Fall gut vertreten.

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Am 21. Oktober 2011 wurde die neue Landebahn Nordwest am Frankfurter Flughafen in Betrieb genommen. Sie soll – so sagt es Fraport – die Region weiterbringen, die Wirtschaft voranbringen und Arbeitsplätze schaffen.

Kurz darauf, am 31. Oktober begann dann das Nachtflugverbot zwischen 23 Uhr und fünf Uhr. Hört sich erstmal gut an. Aber seitdem werde ich an vielen Tagen morgens um fünf Uhr wach. Immer dann wenn die ersten Maschinen fliegen. Und das bei geschlossenem Fenster. Denn die Flugroute verläuft nun quer über dem Haus.
Wie es am Tag aussieht? Dauerfeuer sozusagen. Ohne Unterbrechung brummt es über dem Dach. Ich mag gar nicht an den Sommer denken. Keine stillen Stunden auf dem Balkon – die man die letzten Jahre bei günstiger Wetterlage gar nicht so selten genießen konnte. Und das Vogelgezwitscher im Stadtwald – ob es übertönt werden wird vom Lärm der großen Vögel? Ich befürchte es.

Das Haus in dem ich wohne liegt genau am Rand der Nachtschutzzohne. Was heißt, das ab 2016 Schallschutzmaßnahmen unterstützt werden – was immer das heißt, wir sind noch am forschen. Das Haus gegenüber auf der anderen Straßenseite wird nichts bekommen.

Ich wohne vergleichsweise nahe am Flughafen, aber weiter draußen im Umland – im Taunus oder über Mainz – hört die Nachtruhe schon vor fünf Uhr auf. Dort ziehen die Flugzeuge ihre Warteschleifen, damit sie um fünf Uhr morgens auch landen können.

In der Martin-Buber-Grundschule müssen die Lehrer regelmässig ihr Diktat unterbrechen, weil die Kinder sie sonst nicht verstehen können.

Dabei geht es mir hier in Oberrad noch vergleichsweise gut, wenn ich an Flörsheim denke. Dort müssen Menschen wegziehen, weil es zu laut wird.

Und – das Nachtflugverbot steht zur Diskussion. Am 13. März, nur zwei Tage nach der Oberbürgermeisterwahl hier in Frankfurt – beginnen die Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Es geht darum, ob Nachts wieder geflogen werden darf.

Meine Meinung: Ein Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr nachts, ich denke 8 Stunden Nachtruhe – im Sinn von „Ruhe“ – sind nicht zu viel verlangt. Und eine Begrenzung der Flugbewegungen insgesamt. Und auf gar keine Fall ein weiterer Ausbau.
Und das ihr es wisst: Ich reise gerne, wie man auch auf meinem Reiseblog windweit.de nachlesen kann. Aber diese verschärften Belastungen möchte ich nicht nur mir sondern auch niemandem anderen zumuten.

Hier noch ein paar Links zum weiterlesen

Und jetzt meine Frage an Euch: Was ist Euch Eure Reiselust wert? Wieviel Lärm währt Ihr bereit zu ertragen? Wäret Ihr bereit, umzuziehen? Wäret Ihr bereit, weniger zu reisen? Wie seht Ihr das?